Je weiter wir in den Norden kamen, desto einsamer wurde es. Auf unserem Weg in Richtung Norwegen kamen wir plötzlich an dem uns bislang völlig unbekannten Mt. Levi vorbei. Wer sich für Wintersport interessiert, dem dürfte dieser Name ein Begriff sein. Der erste Berg auf unserer Reise!
In Rosenheim sind wir die Berge vor der Haustüre gewohnt. Um unser Berg-Weh zu stillen, entschieden wir uns kurzerhand dort zwei Nächte zu bleiben und ihn zu besteigen. Am Gipfel wurden mir mit einer spektakulären Fernsicht über die extrem dünn besiedelte und einzigartige Landschaft Lapplands belohnt.
Über Park4Night fanden wir einen Stellplatz in der Nähe, der seines Gleichen sucht. An einem Fluss, inmitten unberührter Natur. Eine Grillhütte direkt am Ufer und fertig gespaltenes Lagerfeuerholz. Die Anfahrt forderte die Geländegängigkeit des dicken Klaus heraus und trotzdem waren wir nicht die ersten, die diesen Platz an diesem Abend aufsuchten.
Hier lernten wir ein holländisches Paar kennen, das sich auf dasselbe Abenteuer eingelassen hat, wie wir. Sie sind vier Monate vor uns gestartet und durchlebten dasselbe Gefühlschaos wie wir. „Nach vier Monaten verschwindet die Angst vollständig und die Eindrücke des Reisens können ungefiltert aufgenommen werden.“ Das war ihre Aussage, die uns zu diesem Zeitpunkt weiter Mut machte, denn auch nach sieben Wochen schlichen sich regelmäßig noch Zweifel und Ängste ein.
Wir hatten zwei wunderschöne gemeinsame Abende bei Dauerdämmerung am Lagerfeuer mit guten Gesprächen und freuten uns sehr darüber, Gleichgesinnte zu treffen.
Die nächste Nacht verbrachten wir allein am wunderschönen Pallasjärvi See mit Sandstrand im Pallas-Yllästunturi Nationalpark. Mücken gab es in unseren Köpfen nur an warmen Gewässern und in unseren Breitengraden. Weit gefehlt. Eine Milliarde Mücken pro Kubikmeter Luft dämpften die Freude ein wenig ab. So schön die Landschaft auch war, es war kaum auszuhalten und so gingen wir früh ins Bett, als hätten wir gewusst, was am nächsten Morgen passieren wird.
Morgens um sechs Uhr. Mitten im Nirgendwo. Plötzlich donnerten mehrere vollbeladene LKW und unzählige Autos über den Feldweg an uns vorbei und weckten uns auf. Was passiert jetzt? Eine Stunde später wussten wir es. Zufälligerweise übernachteten wir genau dort, wo die erste Tagesetappe des “Racing the planet” – Rennens endete. 250 Kilometer zu Fuß in 6 Tagen. 6 Tage in Folge ein Marathon zum Frühstück. Google verriet uns, dass es dieses Rennen überall auf der Welt gibt und wir erfahren im Outback Finnlands davon. Von den Rentieren verfolgt fuhren wir weiter über Hetta nach Kilpisjärvi, bis zum nördlichsten Ende des finnischen Armes.
Nach einer mehrstündigen Fahrt durch die endlosen Weiten Lapplands, freuten wir uns Zeichen einer menschlichen Zivilisation zu entdecken. Kurz vor der norwegischen Grenze, auf einer Anhöhe, umgeben von einer mittlerweile kargen aber malerischen Bergwelt, weit überhalb des Polarkreises, gab es noch einen letzten Supermarkt auf finnischer Seite. An dieser weit und breit einzigen Einkaufsmöglichkeit füllten wir unsere Lagerbestände nochmal auf, denn wir wurden von den Holländern vorgewarnt. Bis jetzt war es teuer aber in Norwegen wird es richtig teuer.
Der Flair dieses Supermarktes ist schwer zu beschreiben, doch es ist einen Versuch wert. Es war eine Mischung aus Supermarkt, Baumarkt und Outdoorladen, bei dem deutlich mehr Wert auf Funktionalität als auf Ästhetik gelegt wurde. Von gewöhnlichen Produkten und Trockennahrung über Gaskocher, Axt und Schaufel bis zum Thermoschlafsack war in vollgestopften Regalen unter kaltweißen Neonröhren alles zu finden, was zum Überleben gebraucht wird. Ungefähr so stellten wir uns einen Supermarkt am Fuße des Mount Everest vor.
Solche Momente sind es, die uns daran erinnern, dass wir mittlerweile über 3000 Kilometer von Zuhause entfernt sind, was oft ein kurzes Gefühl von Heimweh auslösen kann. Immer öfter bemerken wir, dass wir einfach so in den Tag hineinleben. Keine Termine, keine Ziele, kein Plan, kein Stress aber langweilig wird uns nie.